Im Gefängnis in Nowopolozk ereignete sich ein tragischer Zwischenfall – Andrei Dubik, 2017 im „Fall der 37“ verurteilt, wurde erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Seine Angehörigen hatten seit dem 8. Januar keine Briefe mehr von ihm erhalten. Zuvor sprach er vom erhöhten Druck der Verwaltung und Forderungen, seine angebliche Schuld zu gestehen und klagte, über seinen mentalen Zustand[1].

Andrej Dubik wurde vor sechs Monaten im Gefängnis Nr. 1 untergebracht, vorher saß er in Untersuchungshaft in Minsk. Während seiner sechs Monate im Gefängnis konnten die Eltern des Jungen ihn nur zweimal sehen. Am Vorabend des Selbstmordes rief der Vater des jungen Mannes im Gefängnis an und erfuhr, dass es seinem Sohn gut gehe, er aber in Einzelhaft sei. Auch Andrejs weitere Angehörige wurden nicht detailliert über seinen Tod informiert, da sie das Gefängnis telefonisch nicht erreichen konnten.

Andrej Dubik wurde am 28. Juli 2017 zusammen mit einem Freund festgenommen. Der junge Mann wurde mit 0,044 Gramm Marihuana erwischt. Die beiden waren gerade dabei Turnschuhe zu kaufen. Andrejs Freund hatte aber Koordinaten eines Drogenverstecks auf seinem Handy. Das gab seinen Geist auf, also übertrug er die Koordinaten auf Andrej’s Telefon, damit diese nicht verloren gehen. Daraufhin wurden die Jungs festgehalten – vier Stunden lang lagen sie auf dem Boden und wurden dabei geschlagen. Der mit dem Fall beauftragte Ermittler verlor dadurch seinen ursprünglichen Bonus.

Trotz der Tatsache, dass es keine Beweise für Andrej’s Beteiligung an dem „Fall der 37“ gab, wurde er dennoch zu 11 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Er wurde nach Paragraf 4 des Artikels 328 des Strafgesetzbuches – „Unerlaubter Handel mit Drogen, psychotropischen Substanzen, ihren Vorläufern und Analoga“ (Handlungen, die von einer organisierten Gruppe begangen wurden) und Paragraf 2 des Artikels 285 des Strafgesetzbuches – „Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung“ – für schuldig befunden. Die kleine Waage, die bei einer Wohnungsdurchsuchung gefunden wurde, wo man „biologische Überreste“ fand, wurde gegen ihn verwendet. Andrej plädierte auf nicht schuldig. Er legte beim Minsker Stadtgerichts Berufung ein, aber das Urteil blieb bestehen.

„Der Fall der 37“ ist einer der Massenprozesse in Belarus. Die Untersuchung des Falles endete im November 2018. Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden begaben sich von 2016 bis 2017 mehr als 30 Personen in die Strukturen internationaler krimineller Organisationen, die an dem Verkauf von Drogen und Psychopharmaka verdienten. Diese Daten beziehen sich auf zwei große Online-Marktplätze. Zu den Angeklagten in dem Strafverfahren gehören Menschen im Alter zwischen 18 und 46 Jahren. Acht Angeklagte haben einen Universitätsabschluss, 15 hatten legale Einkommensquellen und feste Arbeitsplätze. 11 Angeklagte waren zuvor verurteilt worden, unter anderem wegen illegalen Drogenkonsums[2].

Bei den Ermittlungen wurden 7 Kilogramm Drogen und Psychopharmaka beschlagnahmt. Auch das weitere Eigentum der Angeklagten wurde beschlagnahmt, darunter Autos und Computerhardware im Wert von über 117.000 Rubel. Es wurden mehr als 370 Expertenstudien durchgeführt. Die Angeklagten wurden dann nach Artikel 285 (Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung), 328, Paragraf 1 (illegaler Transport von Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen oder deren Vorläufern oder Analoga über die Grenze von Belarus) und 329 (Anpflanzung oder Anbau von Pflanzen oder Pilzen, die Betäubungsmittel oder psychotrope Stoffe enthalten) angeklagt.

Das Gerichtsverfahren begann im Februar 2019 und fand auf dem Gelände der Untersuchungshaftanstalt Nr. 1 statt. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, für zwei große Online-Shops für Drogen und Psychopharmaka (White&Fluffy und „Concern Kalashnikov“) zu arbeiten, die Waren aus Russland und der Ukraine liefern würden. Das Urteil im „Fall der 37“ wurde am 14. Oktober 2019 gefällt. Insgesamt wurden die Angeklagten zu 331 Jahren Freiheitsentzug und 14 Jahren Bewährung verurteilt. Die längsten Strafen erhielten die einzige Frau in dem Fall, die zu 14 Jahren verurteilt wurde, sowie ein Mann, dem sein Rang als „Unteroffizier der Polizei“ aberkannt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Der Fall von Andrej Dubik ist nicht der erste Selbstmord eines Häftlings, der aufgrund Artikel 328 verurteilt wurde. Im Januar 2016 versuchte der 20-jährige Jegor Protasenja, der im Dezember 2015 zu 14 Jahren verurteilt worden war, sich im Schodino-Gefängnis zu erhängen, doch die Wärter konnten ihn retten. Er unternahm seinen Selbstmordversuch aus Protest gegen die Grausamkeit der Strafverfolgungsbehörden und der Abteilung für Drogenkontrolle sowie aus der Überzeugung, ein ungerechtes Verfahren durchlebt zu haben. Er erwähnte das mehrfach in seinen Briefen. Es ist bekannt, dass sie dem Jungen während der Verhaftung eine Gasmaske auf den Kopf setzten und ihm den Sauerstoff abschnitten und eine Spritze mit brauner Flüssigkeit in die Nähe seines Armes hielten und ihm drohten, ihm Drogen zu injizieren, wenn er seine Schuld nicht eingestehen würde.

Am Tag seines Selbstmordes versuchte Jegors Mutter zweimal, ihn zu besuchen, aber beide Male wurde sie abgewiesen. Der letzte Brief ihres Sohnes wurde der Frau nicht gezeigt. Nach dem Selbstmordversuch fiel Jegor in ein Koma. Er wurde in ein örtliches Krankenhaus gebracht und später in das Krankenhaus des Minsker Gefangenenlagers verlegt. Bei der Verhandlung einige Zeit später wurde er aus gesundheitlichen Gründen entlassen und ins Krankenhaus von Salihorsk gebracht. Von dort wurde er von seiner Mutter mitgenommen, um ihn zu Hause zu pflegen, aber drei Wochen später verstarb Jegor[3].

Im Sommer 2018 wurde Maksim Rudko nach Teil 3 Artikel 328 angeklagt. Er wurde zu 8,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mann saß seine Strafe in Ivatsevichy in IK-22 ab und wurde als selbstmordgefährdet eingestuft. Im Februar 2019 wurde er vom Leiter der Einheit wegen schlechten Rasierens verwarnt, was ihm die Möglichkeit nahm, auf Bewährung rauszukommen. Am 8. März 2019 wurde die Leiche von Maxim Rudko in einem Technikraum gefunden. Zu diesem Zeitpunkt war er erst seit sechs Monaten im Gefängnis[4].

Im April 2018 wurde der 17-jährige Emil Ostrovko festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, als Teil einer organisierten Gruppe Drogen verteilt zu haben. Der Junge fand einen Job im Internet – seine Aufgabe war es, Rauchmischungen zu verteilen, der Arbeitgeber stellte die Arbeit als legal dar. In seiner Gefängniszelle unternahm der Junge einen Selbstmordversuch – höchstwahrscheinlich aufgrund von Drohungen und Druck seitens der Strafverfolgungsbehörden, um ein Geständnis zu erhalten. Dem Teenager wurde kein Psychologe zur Seite gestellt, und man versuchte, die Situation zu vertuschen. Beispielsweise haben dafür die Ärzte im Minsker Zentralen Bezirkskrankenhaus die Schnittverletzungen an seinen Händen nicht bestätigt[5].

[1] https://news.tut.by/society/716947.html

[2] https://news.tut.by/society/614441.html

[3] https://news.tut.by/society/490400.html

[4] https://euroradio.fm/ru/v-volchi-norah-sovershil-suicid-osuzhdennyy-po-narkoticheskoy-state-328

[5] https://nash-dom.info/61631

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