Während die Belarusinnen viele Glückwünsche und Blumen zum Internationalen Frauentag empfangen durften, hat das Team von „Nasch Dom“ die Kampagne „252+1“ neu aufgerollt. Zur Erinnerung: Bei der Kampagne geht es um die Abschaffung der Liste von Berufen, die für Frauen in Belarus verboten sind. Obwohl die Anzahl der Berufe inzwischen auf 181 gesunken ist, haben wir beschlossen, den Namen so zu lassen. Solange, bis die Liste, die noch aus Zeiten der UdSSR stammt, ohne einen einzigen Eintrag ist.

Im Jahr 1918 verbot das Arbeitsgesetzbuch der RSFSR den Einsatz von Frauenarbeit in bestimmten Branchen. Im Jahr 1932 entstand eine Liste von „besonders schweren und schädlichen Arbeiten, bei denen der Einsatz von Frauenbeschäftigung verboten ist“. In der UdSSR behandelte man Frauen ausschließlich als demografische Ressource und wollte auf diese Art für eine Erhöhung der Geburtenrate sorgen.

Zu Beginn der 1970er Jahre hatte die UdSSR die weltweit höchste Beschäftigungsquote von Frauen im erwerbsfähigen Alter und gleichzeitig die niedrigste Geburtenrate zu jener Zeit. Deshalb beschloss der Staat, die Mutterschaft gesetzlich zu schützen und eine Familienpolitik zu entwickeln. Im Jahr 1978 erschien die „Liste der Produktionsbranchen, Berufe und Arbeiten mit harten und gefährlichen Arbeitsbedingungen, in denen Frauenbeschäftigung verboten ist“, in der 431 Berufe festgelegt wurden. Die gleiche Liste erschien wenig später in allen postsowjetischen Republiken.

Wir können froh sein, dass einige Berufe von der Liste bereits verschwunden sind, nachdem sie 2014 überarbeitet wurde. Unter anderem können Frauen heute als Flugzeugmechanikerinnen arbeiten, und das mit Erfolg. Zum Beispiel Olga W., die schon seit einigen Jahren als Flugzeugwartin von Belavia arbeitet und dort problemlos ihren Job meistert[1]. Auch sind Lkw-Fahrerinnen in Belarus nichts Ungewöhnliches mehr. Als Erste stieg 2019 eine Frau in das Führerhaus eines schweren LKWs, das Unternehmen „Janstrong“ wagte das „Experiment“[2].

Und auch den Umgang mit Traktoren beherrschen Frauen, obwohl dieser Beruf in der Liste der verbotenen Berufe aufgeführt ist. Zum Beispiel arbeitet eine Traktorfahrerin auf einer Farm in Chojniki. In den Bezirken Soligorsk, Malaryta und Dserschinsk gibt es ebenfalls Traktorfahrerinnen. Und über die Traktorfahrerin Jekaterina aus Kamenez wurde sogar ein kleiner Film gedreht[3].

Dennoch bleiben immer noch viele Berufe Belarusinnen verwehrt. Unsere Frauen können nicht Zimmerin, Kranführerin, Bulldozerfahrerin, Baggerführerin sein, dürfen keine geschlachtete Tiere zerlegen, als Holzfällerinnen und Schreinerinnen arbeiten. Selbst scheinbar so einfache Arbeiten wie die Verarbeitung von Baumwolle, das Waschen von Wolle und Vlies, das Verpacken von kosmetischer Masse (die Quecksilberausscheidungen enthält), das Ernten von Früchten in einer Höhe von über 130 Zentimetern sind für Frauen nicht zugelassen.

Außerdem fehlen unsere Frauen unter Bergleuten, Tauchern, Feuerwehrleuten. Obwohl Erfahrungen damit aus anderen Ländern natürlich positiv sind. Auch in der Ukraine war die Feuerwehr für Frauen früher tabu. Doch beispielsweise im April 2020 arbeiteten Feuerwehrfrauen zusammen mit Männern bei der Löschung riesiger Brände in der Tschernobyl-Zone. Und Taucherinnen werden längst erfolgreich im Staatlichen Notfalldienst der Ukraine eingesetzt[4].

Das Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit denkt bereits über die Abschaffung der verbotenen Berufe nach. „In erster Linie arbeiten wir daran, die schädlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen zu reduzieren. Höchstwahrscheinlich werden wir bald zur Abschaffung dieser Liste kommen“, sagte im Oktober 2020 die Leiterin des Ministeriums Irina Kostevitsch[5]. In dem neuen Nationalen Plan zur Gleichstellung der Geschlechter für 2021-2025 ist jedoch nur von einer erneuten Kürzung der Liste die Rede.

Wichtig zu wissen bei der ganzen Sache ist: Die Liste der für Frauen verbotenen Berufe verstößt gegen das Recht auf Arbeit, das durch Artikel 41 der belarusischen Verfassung garantiert wird. Zudem verhindert sie die Angleichung der Gehälter von Männern und Frauen, die Differenz in Belarus beträgt momentan bis zu 30 Prozent zugunsten des angeblich „starken“ Geschlechts. Schließlich werden die höchsten Gehaltstufen gerade in den Branchen erreicht, zu denen Damen keinen Zugang haben.

Und zu guter Letzt gibt es noch einen weiteren Punkt. Ganz einfach: eine Frau in Belarus kann nicht… Präsidentin sein. Zumindest glaubt das Alexander Lukaschenko. Im Mai 2020 hat er es noch einmal bestätigt: „Wir haben keine Verfassung für Frauen. Und unsere Gesellschaft ist nicht reif genug, eine Frau zu wählen. Der Präsident wird ein Mann sein, davon bin ich absolut überzeugt.“[6]

Das hat dann eine noch größere symbolische Bedeutung, dass Lukaschenko bei den Wahlen im Jahr 2020 ausgerechnet von einer Frau besiegt wurde. Und selbst wenn er diesen Sieg immer noch nicht anerkannt hat, so ist er doch offensichtlich. Und schon bald wird Belarus einen neuen, echten Präsidenten bzw. eine neue Präsidentin haben.

[1] https://www.the-village.me/village/city/people/263679-belavia-girl

[2] https://auto.tut.by/news/exclusive/655904.html

[3] https://www.youtube.com/watch?v=pGIIuWDRdwQ

[4] https://hromadske.ua/ru/posts/ya-ne-zhenshina-ya-boec-tri-istorii-zhenshin-kotorye-rabotayut-po-ranee-zapreshennym-dlya-nih-professiyam

[5] https://www.kp.by/daily/217196/4306591/

[6] https://www.the-village.me/village/city/news-city/282371-women-no

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