Vor etwa einem Monat kamen zehn Schauspieler*innen aus zwei Grodno-Theatern mit ihren Familien und Kindern nach Vilnius. In dieser Zeit bekamen sie eine Art Crash-Kurs des Sozialvereins „Dapamoga“ und des Internationalem Zentrum für zivilgesellschaftliche Initiativen „Nasch Dom“ für die einfachere Eingewöhnung in einem ihnen unbekannten Land. Der beinhaltete die Suche nach Wohnungen oder Schulen für die Kinder, Kennerlernen der örtlichen Dienstleistungen, aber auch Gewöhnung an die neugewonnene Freiheit und ein Leben ohne Angst. Unser folgender Bericht zeigt, wie das neue Leben und die schöpferische Karriere der Belarusischen Schauspieler*innen nun in Litauen aussieht.

Schon vor der Ankunft der Schauspieler*innen mit ihren Familien hatte „Dapamoga“ für die bevorstehende Selbstisolation Wohnungen organisiert. Am 16. Februar wurde jeder Familie ein ehrenamtlicher Mentor zugewiesen. Die Schauspieler*innen wurden beim Ausfüllen von Visa-Anträgen unterstützt, kauften Flugtickets und kümmerten sich um verschiedene Versicherungsanträge. Diejenigen, die mit dem Auto anreisten, bekamen Anweisungen, wie sie die Grenze überqueren können. Für die Kinder begab man sich auf die Suche nach Schulen, mehrere Vilniuser Gymnasien und Sekundarschulen standen zur Auswahl.

Am 17. Februar trafen nach Erhalt der Visa die ersten vom Regime verfolgten Schauspieler*innen in Vilnius ein: Valentina Charitonova, Sergey Kurilenko und Maria Meleshko. Am selben Abend halfen die Mentoren ihnen dabei Lebensmittel und SIM-Karten zu kaufen, die Zeit nach der Selbstisolation zu organisieren, sich für einen Corona-Tests anzumelden und ein Bankkonto bei der PaySera-Bank zu eröffnen. Am 19. Februar schloss sich dann Anastasia Muchko der Gruppe an – die Mentoren kauften ihr einen vegetarischen Essenskorb und gaben eine Einführung durch die verschiedenen Litauischen Online-Dienste.

Am 20. Februar wurden die Neuankömmlinge auf das Coronavirus getestet, und Olga Karach besuchte sie danach. Denn die Schauspieler*innen hatten Strafzettel erhalten. Es wurde klar, dass sich um Autoparkplätze gekümmert werden musste – Valentina Kharitonova und Sergey Kurilenko waren unwissend und mussten nun wegen unsachgemäßem Parken in der Altstadt eine Strafe zahlen. Am 21. Februar begannen wir Gespräche über Parkplätze am Russischen Dramatheater.

Vor der Ankunft von Familien mit Kindern musste noch ein wichtiges Problem gelöst werden – die Schule. Der Schulleiter des Naujamasce-Gymnasiums stimmte zu, die Kinder von den Schauspieler*innen Vasilije und Veronika Minic aufzunehmen und bereitete am 18. Februar die entsprechenden Dokumente vor. Bereits am 22. Februar konnte die Familie nach Vilnius kommen. Die Suche nach der Schule für den Elft Klässler Arseniy Leonov, den Sohn der Schauspieler*innen Natalia und Vitaly Leonov, erwies sich als schwieriger. Es ergab sich u.a. die Möglichkeit für ihn, an der Belorussischen Online-Schule in der Ukraine zu studieren. Nachdem die Angelegenheit am 22. Februar geklärt war, flog die Familie zusammen mit der Familie der Schauspielerin Natella Belugina und dem Schauspieler Alexander Ratko fast vollständig nach Vilnius. Am 24. Februar folgte dann der letzte der Gruppe, Vitaly Leonov, ihnen.

Die ersten Tage nach ihrer Ankunft in Vilnius waren die turbulentesten. Jede*r sollte mit einem Essenskorb versorgt werden, sich für einen Corona-Test anmelden, sich mit den Lebensmittel- und Essenslieferdiensten vertraut machen und eine Unterkunft finden. Am 23. Februar wurden die Schauspieler*innen von den Mentoren besucht und über weitere Einzelheiten im Gesundheitssystem informiert, und am 24. Februar wurden Elektroherde und Kochutensilien zu ihnen in die Selbstisolation gebracht.

Glücklicherweise wurden alle Schauspieler*innen negativ auf das Coronavirus getestet. Und am 25. Februar konnte die Truppe sich auf erste Spaziergänge in einem Umkreis von 500 Metern begeben. Die Schauspieler*innen erarbeiten mit Hilfe von Anderen ein „Schema der sicheren Bewegung“. Außerdem war es für jeden von ihnen an der Zeit, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Am 25. Februar fand die Familie Leonov eine Wohnung in der Nähe der Schule der Kinder und begann die Gespräche mit den Vermietern. Am 26. Februar galt es die Rechnungen für die Unterbringung der Schauspieler zu belgleichen, und am 28. Februar erhielt die gesamte Gruppe noch einmal Lebensmittelkörbe.

Am 1. März durften die Kinder in die Schule- die Lehrpläne wurden erstellt, gefolgt von einer Beratung zum Fernunterricht. Arseniy Leonov wurde nun auch ein Platz in einer russisch-polnischen Schule angeboten. Die Mentoren mussten derweil aber nicht nur Probleme mit der Unterkunft und der Ausbildung lösen, sondern auch z.B. bei der Anschaffung eines Handys helfen (am 27. Februar für Sergej Kurilenko) oder zwischenmenschliche Konflikte lösen – am 4. März hatte die Familie Minich diesbezüglich Besuch.

In den ersten Tagen in einem fremden Land brauchten die Schauspieler*innenUnterstützung – am 1. März bekamen sie Besuch von Olga Karach, am 6. März gab es ein Treffen, bei dem sie Informationen über Netzwerke in Litauen, über die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Autovermietung, Fahrradverleih und Elektroroller erhielten. Am 7. März trafen sich die Schauspieler*innen erneut – um den Damen zum bevorstehenden Internationalen Frauentag zu gratulieren, aber auch, um die Themen Stipendien und Mietwohnungen zu besprechen, um zu schauen, wie der Elft Klässler Arseniy Leonov seine Prüfungen bestehen könnte und welche Behörden kontaktiert werden sollten.

Am 8. März bekamen Familie Minich und Familie Kurilenko nach wochenlanger Wohnungssuche und Verhandlungen mit Maklern die Schlüssel zu den angemieteten Wohnungen, auch Maria Meleshko und Anastasiya Muchko fanden eine passende Wohnung, wie auch die Familie Leonovs.

Es galt nun wieder Wege zu finden, für sie kreativ zu arbeiten. Schon vor der Ankunft der Schauspieler*innen in Vilnius fanden verschiedene Gespräche über mögliche Projekte mit einem privaten Theater statt. Am Tag der Ankunft des Hauptteils der Truppe, dem 22. Februar, wurde der Kontakt mit einem Journalisten von ICGI „Unser Haus“ hergestellt. Noch am selben Tag begannen sie, Kontakte mit der Belorussischen Redaktion von LRT aufzubauen, um eine Sendung über die Schauspieler*innen der Serie „Vilenski sshytak“ zu machen. Am 23. Februar arrangierten wir ein Treffen mit dem Hauptregisseur Uladzimir Gurfinkel und der Leiterin des Russischen Dramatheaters Olga Polewikowa – das Treffen fand dann am 10. März statt. Nachdem sie den Fesseln des Regimes entkommen waren, begannen sich die Schauspieler selbst zu öffnen – sie boten ein Stück über die hingerichteten Dichter und eine Reihe von Geschichten über ein Viertel in der Altstadt an.

Nachdem sie die Selbstisolation verlassen durften, begann die Truppe fast direkt wieder mit ihrer kreativen Arbeit. Am 7. März besuchten sie die Probe für die Aufführung „Tsoi“ auf der „Compensa“-Bühne, wo sie den Regisseur der Aufführung und Vertreter des Produktionszentrums kennenlernten. Am 10. März haben wir uns mit dem Hauptdirektor des Russischen Dramatheaters Wladimir Gurfinkel und der Leiterin des Theaters Olga Polewikowa getroffen und über die Pläne erzählt.  Am 14. März haben wir ein neues Treffen mit den Theatervertretern vereinbart – bereits mit konkreten Ideen und Vorschlägen.

Auch fern der Heimat halten die Schauspieler den Kontakt nach Belarus aufrecht: Sie geben Interviews nicht nur den Journalisten von „Unser Haus“, sondern auch den unabhängigen Belarusischen Medien und nehmen an den Protestaktionen in Vilnius teil. Am 7. März war es der „Marsch der Blumen“, am 11. März “der Tag des Willens” und am 13. März gab es eine Aktion auf dem Domplatz. Am 14. März nahm die Truppe an dem Sonntagsmarsch teil, der den Opfern des Lukaschenka-Regimes gewidmet war, und am 16. März – an der Protestaktion gegen die Verletzung der Verfassung vor der belarussischen Botschaft.

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