Neue Gesetze und Erlasse werden in unserem Land inwzischen fast jeden Tag veröffentlicht. Irgendeinen Nutzen bringen sie den Belarussen allerdings nicht – sie lassen uns eher über die Vorstellungskraft der Autoren staunen. Und über das Bestreben des Staates, das Land in eine Wüste zu verwandeln, wo nichts existieren kann, dass in irgendeiner Art die Macht Lukaschenkos gefährdet. Wir haben für Sie eine Auswahl der absurdesten Entscheidungen der Regierung aus den letzten Monaten zusammengestellt.
- Verbot des Verkaufs von neuwertiger Kleidung in Second-Hand-Shops
Der Beschluss Nr. 774 vom 30. Dezember 2020 verbietet es Second-Hand-Läden, neuwertige Bekleidung zu verkaufen. In dem Dokument heißt es: „Es ist nicht erlaubt, gebrauchte und neue Pelze, Schuhe, Bekleidung und Strickwaren (mit Ausnahme von Unterwäsche) in ein und demselben Geschäft zu verkaufen.
Es ist üblich, dass neue Kleidung auch in Second-Hand-Läden erhältlich ist. Dort werden oft Kleidungsstücke abgegeben, die aus verschiedenen Gründen noch nie getragen wurden. Auch in westeuropäischen Second-Hand-Läden ist ungefähr ein Prozent der Kleidung fabrikneu, und das ist in den Gesetzen der EU-Länder geregelt.[1]
Im vergangenen Frühjahr schlug die staatliche Holding „Bellegprom“ übrigens vor, dass die Kommunen Second-Hand-Läden ganz aus den Stadtzentren entfernen und besser noch, sie außerhalb der Stadtgrenzen ansiedeln sollten. Als Begründung wurde unlauterer Wettbewerb angeführt.
- Das Verbot, krebskranken Kindern, Waisenkindern und Opfern häuslicher Gewalt zu helfen
Viele Jahre lang sammelte das gemeinnützige Projekt „Imena“ (Namen) Gelder, um schwerkranken Kindern und Jugendlichen zu helfen, stellten Sozialarbeiter:innen und Fachärzte:innen für die Rehabilitation in den Regionen von Belarus zur Verfügung. Am 18. Januar zwangen die Behörden die Leitung der Organisation zur Rückgabe von Spendengeldern in Höhe von 42.720 Rubel aus 32 Ländern.
Dieses Geld wurde von der Abteilung für Hilfsorganisationen am Präsidialamt nicht registriert, ohne Angabe eines Grundes. Von den staatlichen Stellen wurden keine weiteren Angaben in der Angelegenheit von „Imena“ gemacht. Und gemäß der neuen Gesetzgebung in Belarus ist es nicht möglich, diese Entscheidung anzufechten.[2]
- Verbot von Euronews
Am 5. April wurde in Belarus ein neuer Informationsminister ernannt. Auf den Posten des Ministers wurde der ehemalige Leiter der Fernseh- und Rundfunkgesellschaft „Mir“ (sendet in den Ländern der ehemaligen UdSSR) Wladimir Perzow berufen. Daraufhin begann eine „Säuberung“ der belarussischen Nachrichtenlandschaft. Unter den Opfern war auch der Fernsehsender Euronews, der seit dem 12. April nicht mehr senden durfte. Es stellte sich heraus, dass das Handels- und Aniti-Monopol-Ministerium Verstöße gegen das belarussische Gesetz über die Werbung feststellte – diese wurde offenbar auf Englisch statt auf Russisch oder Belarussisch ausgestrahlt.
Euronews hat ständig über die Proteste in Belarus berichtet, ohne dabei die Politik der Regierung zu unterstützen. Wladimir Perzow hat bei seinem Amtsantritt versprochen, die Nachrichtenlandschaft mit staatlichen Inhalten zu besetzen. Anstelle von Euronews wurde der russische TV-Sender Pobeda geschaltet, der sowjetische Kriegsfilm-Klassiker, russische Filme und Serien sowie Dokumentationen über den Krieg sendet.[3]
- Verbot von Fotos und Videos für Universitätsmitarbeiter
Die Staatliche Universität für Informationstechnologie und Telekommunikation (BSUIR) „erfreute“ uns mit dieser Arbeitsanweisungen. Nun ist es den Mitarbeitenden nicht mehr erlaubt, im Universitätsgebäude ohne Erlaubnis der Direktion Fotos oder Videos zu machen. Es ist auch verboten, im Namen der Universität irgendetwas in den Medien zu kommentieren, ohne die Zustimmung der Leitung.
Die Erlass über diese Änderungen wurde am 9. April unterzeichnet. Darin heißt es, dass diese Entscheidung vom Universitätsrat und dem Gewerkschaftsrat der Hauptgewerkschaftsorganisation getroffen wurde. Außerdem dürfen die Universitätsmitarbeitenden laut der neuen Vorgaben keine politische Agitation betreiben, keine Informationen über nicht angemeldete Massenveranstaltungen veröffentlichen, nicht an Streiks teilnehmen und nicht zu solchen aufrufen.[4]
Wir sollten darauf hinweisen, dass es die BSUIR war, die im Herbst 2020 eine der im Rahmen der Proteste aktivste Universitäten war. Mehrere Studenten erhielten Gefängnisstrafen dafür, dass sie zu Streiks aufgerufen hatten. Und die Dozentin Olga Filatchenkowa wurde zur politischen Gefangenen, weil sie sich gegen Gewalt aussprach.
- Das Verbot von NIVEA-Kosmetik
Die Marke NIVEA sollte eigentlich einer der Sponsoren der Hockey-Weltmeisterschaft 2021 in Minsk werden. Nach den monatelangen Repressionen gab das Unternehmen jedoch bekannt, dass es die Veranstaltung nicht sponsern würde, wenn sie in Belarus stattfände. Am 13. April vermeldete das Gesundheitsministerium ein vorübergehendes Verkaufsverbot für NIVEA-Produkte, das damit begründet wurde, dass sie ohne Dokumente, die ihre Qualität und Sicherheit bescheinigt, verkauft wurden.
Laut Angaben des Gesundheitsministeriums gab es außerdem weitere Verstöße: Die Produkte seien nach Ablauf des Haltbarkeitsdatum verkauft worden, es hätte keine Qualitätskontrolle bei der Herstellung der Markenkosmetika gegeben und deren Namen hätten nicht mit der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe übereingestimmt. Am gleichen Tag wurde bekannt, dass die Produkte der Marke in Drogerien und Supermärkten aus dem Sortiment genommen wurden.[5]
- Verbot weiß-roter Kleidung
Wir haben bereits über die Repressalien gegen Menschen geschrieben, deren Kleidung eine Kombination aus weißen und roten Farben aufweist. Um nicht wegen „politischer“ Socken und einer „politischen“ Mütze in die Fänge der Polizei zu geraten, beschloss ein Bürger, bei den Behörden nachfragen, ob es erlaubt sei, in weißer und roter Kleidung herumzulaufen.
„Nach moralischen und ethischen Maßstäben sollte die Kombination von roten und weißen Farben in der Kleidung auf einer Massenveranstaltung nicht getragen werden, da das belarussische Volk sie mit den Verbrechen der Nazi aus der Zeit der Besetzung während des Großen Vaterländischen Krieges und ihrer Komplizen assoziiert“, antwortete man ihm. In der Antwort wurde auch präzisiert, dass das Vorhandensein solcher Elemente in der Kleidung von anderen Bürgern als Verletzung ihrer Rechte und Interessen wahrgenommen werden könnte.[6]
- Verbot der Stimmabgabe bei Wahlen für Rentner:innen
Am 15. April zeigte das staatliche Fernsehen einen Bericht über die Arbeit der Verfassungskommission. Sie sagte, dass die Kommission erwägt, das Wahlalter zu begrenzen. So wird vorgeschlagen, nur Bürger:innen im Alter zwischen 20 und 70 Jahren das wählen zu erlauben. Das wird damit begründet, dass sich die Persönlichkeit von Menschen unter 20 Jahren noch nicht vollständig entwickelt hat und sie die Situation nicht realistisch einschätzen können. Und ab 70 hören die Menschen auf, nüchtern auf die Dinge zu schauen und können keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen.
Übrigens, die Altersgrenze von 20 Jahren gibt es nur in wenigen Ländern der Welt, unter anderem in Bahrain, Oman, Tonga, Malaysia, Kuwait, Libanon und Kamerun. In den Ländern, die zur OSZE gehören, ist es möglich, mit 18 Jahren zu wählen, in einigen – mit 17 und sogar mit 16 Jahren. Eine Obergrenze gibt es in keinem Land der Welt, da dies den internationalen Standards widerspricht.[7]
- Verbot des privaten Praktizierens für Rechtsanwälte
Die folgenden Veränderungen wurden im „Gesetz über die Anwaltschaft und die anwaltschaftliche Tätigkeit“ vorgenommen. Sie wurden in erster Lesung vor der Nationalversammlung angenommen. Künftig dürfen Rechtsanwälte nur noch Rechtsberatungen durchführen. Sie dürfen weder freiberuflich noch in privaten Kanzleien arbeiten. Außerdem verstärkt das Justizministerium seine Kontrolle der Anwälte, und wird Inspektionen und Prüfungen durchführen können, wann immer es will. Eine totale Kontrolle der Anwaltschaft steht im Widerspruch zu den Grundregeln über die Rolle der Anwälte (angenommen vom UNO zur Verbrechensverhütung und Umgang mit Straftätern im Jahr 1990).
Gerade Anwälte spielen eine wichtige Rolle bei der Verteidigung politischer Gefangener und ihrer Rechte und bei der Aufdeckung von Details der Lebensumstände von Belarussen hinter Gittern. Mindestens acht Strafverteidigern, die politische Gefangenen und Opfer von Polizeiaktionen vertraten, wurde in den vergangenen sieben Monaten die Anwaltslizenz entzogen.[8]
- Zeitplan für die Warmwasserversorgung
Ein Beschluss mit dem Titel „Über die Liste der staatlichen Sozialstandards zur Versorgung der Bevölkerung des Kreises Witebsk“ wurde von der Kreisverwaltung gefasst. Laut dem Beschluss ist es bis 2025 unter Berücksichtigung der finanziellen und technischen Möglichkeiten in der heizfreien Zeit nur erlaubt, Warmwasser nach den von den örtlichen Behörden genehmigten Zeitplänen anzuschalten. In Ausnahmefällen kann das auch nur zweimal pro Woche sein.
Darüber hinaus regelt das Dokument die Anzahl der öffentlichen Toiletten. War früher eine öffentliche Toilette pro 1.000 Personen erlaubt, so erlauben die Vorschriften jetzt eine Toilette pro 1.000 Personen.[9]
- Beleidigung eines Beamten ist Extremismus
Am 16. April hat die Nationalversammlung von Belarus in erster Lesung einen Gesetzentwurf über die Strafverfolgung von Extremismus und für wiederholte Verstöße bei Kundgebungen angenommen. Nach dem neuen Gesetz wurde die Liste der Handlungen, die als Extremismus gelten, erheblich erweitert.
Als Extremismus gelten u.a. die Verbreitung falscher Informationen über Belarus und die rechtlichen Stellung der Belarussen, die Beleidigung eines Amtsträgers, die „Diskreditierung“ der Regierung und des Staatsapparats, die Behinderung der Arbeit der Zentralen Wahlkommission, die aktive Teilnahme an Massenunruhen, der Aufruf zu einer nicht genehmigten Massenaktion und die Finanzierung solcher Aktionen.[10]
[1] https://finance.tut.by/news726012.html
[2] https://svabod1.azureedge.net/a/31050491.html
[3] https://www.dw.com/ru/v-belarusi-prekrashheno-veshhanie-teleprogrammy-euronews/a-57165377
[4] https://news.tut.by/society/726663.html
[5] https://people.onliner.by/2021/04/13/v-belarusi-vremenno-zapretili-nivea
[6] https://news.tut.by/society/726526.html
[7] https://news.tut.by/economics/726847.html
[8] https://news.tut.by/society/726832.html
[9] https://euroradio.pl/vicyablyanam-dazvolili-davac-garachuyu-vadu-dva-razy-u-tydzen
[10] https://www.currenttime.tv/a/v-belarusi-prinyali-novyy-zakon-o-massovyh-meropriyatiyah-zapret-sobirat-dengi-na-shtrafy/31207466.html