In den belarussischen Gefängnissen und Straflagern wird derzeit ein bestimmtes Farbsystem von Schildern (Aufnähern auf der Uniform) verwendet, mit denen Gefangene markiert werden. Diese Praxis wurde eingeführt, um bestimmte Individuen aus der Menge der Häftlinge leicht erkennen zu kennen. Dies führt zu (und soll es wohl auch) Stigmatisierung und Diskriminierung bestimmter Häftlingsgruppen. Besonders betroffen sind Teenager und Jugendliche, die erstmals wegen geringfügiger Straftaten nach dem „Anti-Drogen“ Artikel 328 des Strafgesetzbuches verurteilt wurden. Sie müssen grüne Markierungen tragen. Diese sog. „Kinder 328“ sind Opfer von Diskriminierung und Vorurteilen und haben ein erhöhtes Risiko, zusätzliche Bestrafungen zu erleiden.
Wir möchten betonen, dass die Praxis der Farbmarkierung nicht alle betrifft, sondern nur für (bzw. gegen) bestimmte Gruppen von Gefangenen eingesetzt wird. So müssen zum Beispiel Gewalttäter keine Farbmarkierung tragen. Serienmörder, Vergewaltiger, korrupte Beamte und andere Gefangene werden nicht gekennzeichnet.
Im Schreiben Nr. 89/5/G-5 vom 23.07.2019 erklärte die Minsker Gebietsstrafvollzugsabteilung des Innenministeriums, dass sie derzeit drei Farben verwendet, um die Gefangenen zu markieren:
- Die grüne Farbe kennzeichnet Teenager und Jugendliche, die zu 8-15 Jahren Gefängnis wegen geringfügiger Straftaten verurteilt wurden, gemäß dem Artikel 328 über den illegalen Handel mit Suchtstoffen, psychotropen Substanzen, deren Vorläufer und Analoga. Es gibt bereits ganze Sektionen in Gefängnissen, die nur aus den Verurteilten nach dem Artikel 328 bestehen.
- Die gelbe Farbe wird in der Regel zur Unterscheidung von Anarchisten und Antifaschisten verwendet, die vom KGB und den Sonderabteilungen des Staatssicherheitsdienstes der Republik Belarus (Hauptabteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption) verfolgt werden. Das „gelbe“ Schild bezeichnet „extremistisch“ und impliziert, dass besondere Aufmerksamkeit von der Gefängnisleitung benötigt wird. Das bedeutet, dass diese Personen verpflichtet sind, bei Inspektionen immer in der ersten Reihe zu stehen, sie haben Briefe nur mit Alltagsinformationen zu erhalten und jeden Befehl der Verwaltung zu befolgen, andernfalls wird die Person Anrufe, Besuche, Teilnahme an speziellen Programmen nicht genehmigt bekommen, und / oder sie erleiden zusätzliche Bestrafungen.
- Häftlinge, die nach Ansicht der Gefängnisverwaltung zur Flucht neigen, sind rot markiert.
Alle anderen Gefangenen tragen weiße Aufnäher.
Interessanterweise versucht das Innenministerium in einem weiteren Schreiben Nr. 29/1-5/G-8461 vom 21.11.2017, die Verwendung der Farbkodierung von Gefangenen zu leugnen, indem es erklärt, dass die Verwendung einer bestimmten Farbe „nicht gesetzlich geregelt“ ist, so dass die Schilder eine beliebige Farbe haben können, einschließlich Grün. Aber das ist nicht wahr, denn Kinder-328 bekommen nie ein „gelbes“ oder „weißes“ (neutrales) „Schild“, und aus irgendeinem Grund nur einen grünen.
Wir möchten besonders darauf hinweisen, dass die Farbmarkierung und Stigmatisierung (insbesondere von Kindern – 328, die ihre erste Strafe absitzen), eine schwere Verletzung der Menschenrechte in belarussischen Gefängnissen darstellt.
Anhang
Übersetzung des ersten zitierten Briefes
Übersetzung
Hiermit wird mitgeteilt, dass Ihre Anfrage, die an die Minsker Gebietsstrafvollzugsabteilung am 09.07.2019 gerichtet wurde, von uns erhalten und geprüft wurde. Sie bitten um die Information, die erklären kann, welche Markierungen vorgesehen sind, die die Gefangenen an der Brust tragen sollen, sowie worin der Unterschied zwischen der weißen und grünen Farbe der Kleidungszeichen besteht und welchen Zweck und die Funktion das Tragen dieser Zeichen erfüllt.
Gemäß Artikel 73, Teil 1 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus ist das System der Strafvollzugsanstalten das durch die Gesetzgebung der Republik Belarus festgelegte Verfahren zur Vollstreckung von Strafen, das die ständige Überwachung und Isolierung der verurteilten Personen sowie die Erfüllung ihrer Pflichten, ihrer Rechte und ihrer legitimen Interessen, die Sicherheit von Häftlingen und Personal, die Trennung bestimmter Kategorien von Häftlingen, unterschiedliche Haftbedingungen je nach Art der vom Gericht ernannten Haft und Änderungen der Bedingungen, unter denen Häftlinge ihre Strafen verbüßen, aufgrund ihres Verhaltens gewährleistet.
Auch im 2. Teil des Artikels 73 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus heißt es, dass die vom Innenminister der Republik Belarus in der Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt der Republik Belarus gebilligten internen Ordnungen der Strafvollzugsanstalten in den Strafanstalten in Kraft sind.
Gemäß den Anforderungen des Punktes 57.8 der internen Ordnung der Justizvollzugsanstalten, die durch den Erlass des Innenministeriums der Republik Belarus vom 20.10.2000 Nr.174 in der Redaktion des Erlasses des Innenministeriums vom 30.09.2015, Nr. 290 bestätigt wurde, sind die Häftlinge verpflichtet, Kleidung nach dem festgelegten Muster in den Strafkolonien mit dem Sonderregime, Brust-und Armschilder gemäß dem Anhang Nr.4 mit Ausnahme von Häftlingen in den Strafkolonien- Siedlungen zu tragen.
In Anhang 4 der Inneren Ordnung der Justizvollzugsanstalten ist festgelegt, dass die Brustschilder aus verfügbarem Material in Form eines Rechtecks von 30x70mm hergestellt werden. Im Bereich der Farbgebung werden Nachname, Initialen und Brigadennummer des Verurteilten angegeben. Die Brustschilder werden an die Kleidung auf der rechten Seite der Brust genäht. Die Farbe des Brustschildes ist dabei nicht festgelegt. Ausgehend von der allgemein anerkannten Praxis in den Strafvollzugsanstalten des Innenministeriums der Republik Belarus wird allgemein für alle Verurteilten das Brustschild auf dem weißen Hintergrund verwendet.
Um eine bessere Aufsicht und Präventionsarbeit mit bestimmten Häftlingskategorien zu organisieren, werden gleichzeitig abteilungsinterne Rechtsakte vorgesehen, die diesen Bereich der offiziellen Tätigkeit regeln, damit die Häftlinge unverwechselbare Abzeichen mit unterschiedlichen Farben tragen können. Insbesondere in den Institutionen des Kriminalexekutivsystems tragen derzeit spezielle Kontingentpersonen an der Standardkleidung Brustschilder:
Diejenigen, die aus prophylaktischen Gründen auf einer Liste registriert sind, haben gelbe Farbe auf ihrem Brustschild. Diejenigen, die aus prophylaktischen Gründen auf der Liste als Anfällige für Flucht registriert sind, haben rote Farbe auf dem Brustschild. Diejenigen, die im Bereich des illegalen Drogenhandels verurteilt wurden, haben grüne Farbe als Hintergrund ihres Brustschildes.
So sieht die Administration des Strafvollzugssystems des Innenministeriums der Republik Belarus keine Verstöße seitens der Verwaltung im Bereich der Anfertigung von Brustschildern nach dem festgelegten Muster, das die Häftlinge auf ihrer Kleidung tragen sollen.
Gemäß Artikel 20 des Gesetzes der Republik Belarus Nr. 300-3 vom 18.06.2011 haben Sie das Recht, gegen die Entscheidung der Abteilung für Strafvollzug des Innenministeriums der Republik Belarus, die auf Ihren Wunsch hin getroffen wurde, Berufung einzulegen.
Abteilungsleiter N.N. Okunewitsch
Übersetzung des zweiten Briefes
Übersetzung:
Gemäß den Anforderungen des Punktes 57.8 der internen Ordnung der Justizvollzugsanstalten sind die Häftlinge verpflichtet, Kleidung nach dem festgelegten Muster in den Strafkolonien mit dem Sonderregime, Brust-und Armschilder gemäß dem Anhang Nr.4 mit Ausnahme von Häftlingen in den Strafkolonien- Siedlungen zu tragen.
In Anhang 4 der Inneren Ordnung der Justizvollzugsanstalten ist festgelegt, dass die Brustschilder aus verfügbarem Material in Form eines Rechtecks von 30x70mm hergestellt werden. Im Bereich der Farbgebung werden Nachname, Initialen und Brigadennummer des Verurteilten angegeben. Die Brustschilder werden an die Kleidung auf der rechten Seite der Brust genäht. Die Farbe des Brustschildes ist dabei nicht festgelegt.
So sind das Material, aus dem das Brustschild hergestellt wird sowie seine Farbe nicht durch das Strafrecht geregelt und kann jede beliebige Farbe haben, einschließlich Grün.
Wenn Sie mit dieser Antwort gemäß den Anforderungen des Artikels 20 des Gesetzes der Republik Belarus vom 18.Juli 2011 Nr.300-3 „ Über Anfragen von Bürgern und juristischen Personen“ nicht einverstanden sind, haben Sie das Recht, gegen sie nach dem gesetzlich festgelegten Verfahren Berufung beim Gericht einzulegen.