Die orthodoxen Christen begehen heute das Osterfest. Eigentlich ein wichtiges und frohes Ereignis doch leider ist in Belarus selbst ein einfacher Kirchenbesuch derzeit schon gefährlich. Die Polizei stürmt die Gebäude, verhaftet Gemeindemitglieder und greift religiöse Führer an. Wir haben bereits davon erzählt, wie die Behörden Priester und Geistliche jagen. Doch leider hält die Unterdrückung von Gläubigen auch weiterhin an.
Anfangs des Jahres wurden den Gemeindemitgliedern der protestantischen Kirche „Neues Leben“ ihre Räumlichkeiten genommen. Am 17. Februar kamen Sicherheitskräfte zusammen mit Gerichtsvollziehern in die Gemeinde und erklärten, dass das Gebäude nicht für den vorgesehenen Zweck genutzt werde, da es offiziell ein Kuhstall sei. Tatsächlich hatte die Verfolgung der Kirche schon lange vorher begonnen, doch bis dahin verlief diese noch im friedlichen Rahmen. Die Beamten sagten: Die Kirche muss ausquartiert werden, da an diesem Platz eine Schule gebaut werden soll. Dies sei angeblich schon im Entwicklungsplan der Stadt für 2019 vorgesehen gewesen. Der Pfarrer Vyacheslav Goncharenko meint jedoch: Der Grund dieser Enteignung ist die politische Krise in Belarus nach den Präsidentschaftswahlen. Die Mitglieder der Kirche hatten mehrfach erklärt, dass sie die polizeiliche Gewalt ablehnten, was den Behörden offensichtlich missfiel.[1]
Seitdem versammeln sich die Gemeindemitglieder auf der Straße, auf Parkplätzen. Am 04. März erhielten sie Unterstützung von der Botschaft der USA in Belarus. Der temporäre Sprecher der USA in Belarus Jeffrey Jook traf sich mit Vertretern der Gemeinde. Die USA riefen die belarussischen Behörden dazu auf, die Möglichkeit für die Kirche „Neues Leben“ zur Versammlung und zum Gebet ohne Einschränkungen und Geldbußen an einem sicheren und gefahrlosen Ort zu gewährleisten.[2]
Im April wurde jedoch bekannt, dass „Neues Leben“ der Stadt 170 000 Dollarzahlen schuldete. Daher sollte die Kirche „die Kosten erstatten, die mit der Zahlung der Grundsteuer, der Steuer auf Immobilien und der Abschreibung auf Nichtwohngebäuden verbunden sind“. Eine solche Summe ist unzumutbar für eine Gemeinde, die kaum 1500 Mitglieder hat. Um ein anderes Gebäude konnte die Gemeinde sich nicht kümmern – eben wegen dieser Schulden.[3]
Am 22. März wurde in Volkovysk der orthodoxe Priester Aleksandr Bogdan verhaftet. Die Sicherheitsbeamten nahmen ihn und 30 weitere Personen während eines Besuchs eines Sprachkurses der belarusischen Sprache namens «Мова нанова» fest und brachten sie zur örtlichen Polizei. Aleksandr Bogdan erzählte, dass er den Polizisten zu erklären versuchte, dass dies ein normaler Sprachkurs war und nichts Politisches an sich hatte, aber fast alle wurden zur Polizeistation gebracht und nur ein Minderjähriger frei gelassen. An diesem Tag sollte übrigens der Anführer der Rockgruppe „Krama“ Igor Woroshkevych in Volkovysk auftreten. Mit dem Priester wurden Gespräche geführt.[4]
Am 29. März berichtete Taras Telkovsky, Pfarrer der Baptistenkirche „Dreifaltigkeit“ von der Verhaftung des Gemeindemitglieds Tatjana Reut. Tatjana war lange ehrenamtlich tätig, versorgte Obdachlose und rettete verlassene Hunde und Katzen und suchte für sie ein neues Zuhause. Am 27. März wurde sie in der Stadt festgenommen: Angeblich hatte sie sich an einer Demonstration beteiligt, obwohl an diesem Tag nicht mal eine Demonstration stattgefunden hatte. Zwei Tage später, am 29 März, wurde Tatjana zu 15 Tagen Haft verurteilt.[5]
Am 04. April drangen Sicherheitsbeamte in das Haus eines internationalen Paares ein: Die Frau ist Belarussin, ihr Mann kommt aus Indien. Als Grund des Besuchs wurden die Jalousien in rot-weiß-roter Farbe angegeben. Zwar erklärte der Mann, dass die Farbgebung keinen politischen Hintergrund hat – im Hinduismus wird dieses Symbol verwendet, um sich als Tilaka zu bezeichnen, ein besonderes heiliges Zeichen, das meistens auf die Stirn aufgetragen wird und sich auf einige Götter wie Shiva oder Vishnu bezieht. Im Dezember kamen jedoch örtliche Polizisten zu dem Paar, obwohl die Polizisten inzwischen glaubten, dass es im Hinduismus tatsächlich eine entsprechende Bedeutung der Farben gibt. Aufgrund der Farbe der Jalousien wurde die junge Frau trotzdem festgenommen. Ihre Verwandten konnten sie lange Zeit nicht finden. Nach zwei Tagen wurde sie gemäß Artikel1 § 24.23 Teil 1 des Verwaltungsgesetzbuchs vor Gericht gestellt und kam für 13 Tage in Haft.[6]
Am 07. April tagte das Gericht über den 32jährigen Andrei Levonjuk aus Brest. Er hatte an die Wand eines Wohnhauses ein Zitat aus dem Vaterunser geschrieben: „Und erlöse uns von dem Bösen“. Am 26. Februar wurde der Schriftzug als individuelle Demonstration angesehen und Andrei nach §23.24 des Verwaltungsgesetzbuches vor Gericht gestellt. Bald wurde ein Gerichtsverfahren nach Artikel 341 eingeleitet (Entweihung von Bauwerken und Sachbeschädigung). Außerdem erklärte die Ermittlung, die Inschrift wurde mit dem Ziel getätigt, Lukashenka zu beleidigen und Unzufriedenheit mit dem Wahlergebnis auszudrücken. Sie betitelte es als zynisch. Andrei Levonjuk drückte seine Verwunderung darüber aus, dass eine Zeile aus einem Gebet als zynisch aufgefasst werden könne. Das Gericht verurteilte den Brester zu einer Haftstrafe von einem Monat.[7]
Am 26. April wurden im Anschluss an eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe unerwartet einige Belarussen Opfer von Repressionen. In Witebsk wurde die 19jährige Studentin Marya Amosovych und die 23jährige Kindergarten-Erzieherin Elisaveta Kiryenko verhaftet. Die jungen Frauen hatten Altarlampen auf den Stufen der Auferstehungskirche aufgestellt. Die Ermittler erklärten, dass die Belarussen einen nicht genehmigten Streikposten gebildet hatten. Vor Gericht bekannten sie sich nicht schuldig und stellten klar, dass sie auf diese Weise an die durch Verstrahlung Verstorbenen gedenken wollten. Das Gericht befand die Erklärung der Mädchen jedoch für unzureichend und verurteilte beide zu einer Haftstrafe nach § 23.24 des Verwaltungsgesetzbuches. Marya Amosovych wurde zu 20 Tagen, Elisaveta Kiryenko zu 10 Tagen Haft verurteilt.[8]
An diesem Tag gab es auch in Minsk zwei Festnahmen. Anastasia Voitovych wollte eine Kerze in der Kirche am Platz der Freiheit aufstellen, doch als sie zur Kapelle kam, war diese verschlossen. Die junge Frau stand einige Minuten davor und wollte gerade wieder gehen, als ein OMON-Polizist (bel. Sondereinsatzkommando) auf sie zukam und sie aufforderte, ihre Dokumente vorzuzeigen. Dann wurde sie zur Polizeistation gebracht. Vor Gericht wurde der Wunsch, eine Kerze aufzustellen, als nicht genehmigter Protest gewertet und Anastasia zu einer 15tägigen Haftstrafe verurteilt.
Der 35jährige wissenschaftliche Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften Jurij Lankevych wollte am 26. April in die Rote Kirche gehen, um eine Kerze zum Gedenken an die Opfer der Katastrophe von Tschernobyl aufzustellen. Um 20.30 rauchte er an der Haltestelle am Platz der Freiheit. In dem Moment kamen Polizisten auf ihn zu und forderten ihn auf, seine Dokumente und den Inhalt seines Rucksacks zu zeigen, in dem auch das Altarlämpchen war. Er wurde verhaftet. Vor Gericht erklärte Jurij Lankevych, dass eine Haftstrafe die Verteidigung seiner Promotion und die Arbeit an der Akademie der Wissenschaften gefährde, trotzdem verurteilte ihn der Richter zu 15 Tagen Haft.[9]
Am 01. Mai berichtete der Telegramm-Kanal „Christliche Vision“ darüber, dass gläubigen politischen Gefangenen nicht die Möglichkeit gegeben wird, mit einem Geistlichen zusammenzukommen. Irena Bernatskaya aus Lida stellte einen Antrag für die Erlaubnis zum Besuch eines katholischen Pfarrers, dieser wurde jedoch zweimal abgelehnt. Dies wurde mit der epidemiologischen Situation begründet. Auf Hindernisse für den Besuch eines Geistlichen stieß auch Olga Solotar. Das Ermittlungskomitee verweigerte das Treffen, da sie nicht mit den Ermittlern kooperierte. Dabei haben 70 katholische Pfarrer einen Antrag zur Unterstützung Olgas unterzeichnet.[10]
Diese Vorgänge in Belarus verletzen das Menschenrecht, religiöse Zeremonien und Rituale durchzuführen, welches im Artikel 31 der Verfassung von Belarus festgehalten ist. Wir rufen die Regierung dazu auf, die Misshandlung und die Repressionen gegenüber Gläubigen aller Konfessionen einzustellen und bitten die internationale Gemeinschaft und religiöse Organisationen, nicht die Augen abzuwenden vor der Unterdrückung von Glaubenden.
[1] https://www.dw.com/ru/zahvachennaja-cerkov-vlasti-belarusi-otobrali-zdanie-u-obshhiny-protestantov/a-56818765
[2] https://reform.by/206287-ssha-vystupili-v-podderzhku-lishennoj-pomeshhenija-cerkvi-novaja-zhizn
[3] https://realty.tut.by/news/offtop-realty/726481.html
[4] https://news.tut.by/society/723462.html
[5] https://t.me/christianvision/658
[6] https://news.tut.by/society/725308.html
[7] https://news.tut.by/society/725544.html
[8] https://news.tut.by/society/728700.html
[9] https://news.tut.by/society/728361.html
[10] https://t.me/christianvision/820м